I.
Freund, sagt mein treuer Spiegel,
du wirst alt!
Ich hör’ es an und bleibe ganz
gelassen.
Freund,sag ich zu mir selber,
du wirst kalt!
Und kann mich kaum vor bitterm
Unmuth fassen.
Daß mir kein Mädchenherz
entgegenwallt?
Je nun, man wird mich eben
auch nicht hassen;
Doch mich läßt ruhig Reiz und
Wohlgestalt,
Und deshalb fühl’ ich arm mich
und verlassen.
O schöne Jugend, magst du doch
verblühn,
Magst du verblühn auf Antlitz
und Gestaltung;
Nur in der Brust laß deine
Flammen glühn.
Ach! schwindet da in
tödtlicher Erkaltung
Dein Blumenflor, dein labend
frisches Grün,
Nicht werth ist dann dies
Leben der Erhaltung.
II.
Nun sprich: Wie kalt? So fahr’
ich fort zu fragen,
Und schuldig blieb ich mir die
Antwort gern.
O schöne Jugendzeit, wie
liegst du fern;
Du Zeit voll herber Lust, voll
süßer Plagen,
Wo Zauberlande vor mir offen
lagen,
Ob jedem hell ein goldner
Hoffnungsstern,
In jeder rauhen Schal’ ein
süßer Kern,
Ein Keim, bestimmt, mir schöne
Frucht zu tragen.
Da schwammen Engelstön’ in
blauer Luft,
Das Nächste selbst umwob der
Ferne Duft,
Ein Hold Gemisch vom Dämmerung
und Klarheit.
Unendlich herrlich schien des
Lebens Loos,
Die Kraft, es zu erstreben,
riesengroß,
Und jeder holde Trug voll
inn’rer Wahrheit.
III.
Und jetzt? – Was einst, dem
Morgenduft vergleichbar,
Mein Sein umwob, verschwand
mit meinem Lenze;
Daß ganz sein dämmerheller
Schein verglänze,
Erschien die Wahrheit,
drängend, unausweichbar.
Und durch kein Streben, durch
kein Flehn erweichbar,
Zeigt sie mir kalt des Lebens
enge Grenze.
Einst hingen hoch an Sternen
meine Kränze –
Was hab’ ich nun erreicht? Was
ist erreichbar?
An meinem Blick vorüber ging
das Große,
Verschrumpfend, noch beschaut,
zu armer Kleinheit,
Dem Staunen, wie dem Streben,
zur Vernichtung;
Und ach! die Schönheit barg in
ihrem Schoße
Die fluchbeladne Mißgestalt:
Gemeinheit,
Zerstörend meines Herzens
holde Dichtung.
IV.
So seufz’ ich auf und rett’
aus trüben Wellen,
Ein zornerstarkter Schwimer,
mich zum Strand,
Und find’ ein stilles,
angenehmes Land,
Gar schön geschmückt mit
vielen trauten Stellen.
Hier plätschern hold im Thal
kristallne Quellen,
Dort grünt der Hain, das Feld,
der Rasenrand,
Ein Garten dort, gepflegt von
treuer Hand,
Wo zart im Laub die
Luftaccorde schwellen.
Und manches kleine,
wohlgebaute Haus,
Mit rothem Dach, gar reinlich,
frisch und heiter,
Schaut hinter grünem
Laubgeflecht heraus.
Da ist’s, als kling’ ein
Freundeston: Nicht weiter!
Verschwendet ist die Kraft im
eitlen Strauß,
Hier aber winkt der Lohn dem
müden Streiter.
V.
Und wenn hernieder aus azurnen
Hallen,
In stiller Ruh’ der lauen
Sommernacht,
Vom Geist, der ewig ob den
Welten wacht,
Die Millionen Strahlenblicke
fallen;
Wenn ledig von den
Erdenfesseln allen,
Beglückt und frei, in
angeborner Macht,
Auf Sonnenstufen hin durch
Licht und Pracht
Zum ew’gen Geiste die Gedanken
wallen;
Wenn rückwärts tief der Erde
Jammer liegt,
Und höher, höher stets die
Seele fliegt
Zum reinsten Glück in ew’ger
Liebe Schoße:
Bin ich dann kalt? Erstarb in
mir die Gluth
Für das, was edel ist und
recht und gut?
Und scheinet auch mir arm und
klein das Große?
VI.
Wenn von des ew’gen Geistes
Hauch empfangen,
Und von der erde reinster Lust
geboren,
Sie, beider Kind, zur
Mittlerin erkoren,
Durch die zusammen Erd’ und
Himmel hangen;
Wenn Kunst die Wolken, so die
Welt umfangen,
Die Nebel, so der Menschheit
Bild umfloren,
Durch allgewalt’gen
Zauberspruch beschworen,
Bis sie vor dem geweihten
Blick vergangen,
Damit in Farb’ und Stein, in
Wort und Tönen;
Die Menschheit und die Welt in
edler Reinheit,
Ob wirklich nicht, doch
wahrhaft sich gestalten:
Binn ich dann kalt? Entspringt
auch dann dem Schönen
Die fluchbeladne Mißgestalt:
Gemeinheit?
Und fühl’ ich nicht der ew’gen
Jugend Walten?
XV.
Drum nenn’ o treuer Spiegel,
mich veraltet
Und zeige frei die kleinen
Falten mir,
Und der Verstand verbinde sich
mit dir
Und schelte grübelnd mir das
Herz erkaltet!
Und ihr, Gemeinheit,
Selbstsucht, Thorheit, schaltet,
Erregt die Brust, weckt edlen
Zorn in ihr:
Noch deutlicher erkenn’ ich dann,
daß hier
In frischer Fülle noch die
Jugend waltet.
Und walten soll sie, wenn es
Gott geliebt,
Bis einst die dunkle
Lagerstatt dem Streben,
Den Freuden und den Leiden
Ruhe giebt,
Und dann auch soll die Seel’
aus diesem Leben,
Aus diesem Herzen, das im Grab
zerstiebt,
Voll Jugendlust zur ew’gen
Jugend schweben.
1779 - 1844
Der Heimat angeknüpft durch
zarte Bande,
Riß ich mit wundem Herzen sie
entzwey,
Da trat dem Streitenden die
Hoffnung bey,
Und zeigte lächelnd hin in
ferne Lande,
Dort, sprach sie, keimt dir
Lieb’ und Leben neu,
Die Freundschaft, die sich
weinend von dir wandte,
Entblühet jung Italiens mildem
Strande,
Und ist dir wie die alte hold
und treu.
Nun seh’ ich Berg’ und Thäler
rückwärts eilen,
Doch immer vorwärts strebt
mein reger Sinn
Nach meines Zieles dunkler
Ferne hin.
Dieß Streben soll mir alle
Wunden heilen,
Und einzig diene die
Vergangenheit
Als treue Sclavin nur der
künft’gen Zeit.
1779 - 1844
Was jeder will und kann, es
zeigt im Leben
Sich hier und dort zertheilet
und zerstücket.
Und welcher nah’ das größte
Thun erblicket,
Er sieht es matt und klein
vorüber schweben.
Der Raum, die Zeit beschränkt
des Menschen Streben,
Und lähmt die Kraft, die
glühend uns durchzücket.
Nur du, o Kunst, die uns der
Welt entrücket,
Kannst, was wir sind, uns rein
im Bilde geben.
Der Kräfte Walten, der
Begierden Streiten,
Der Tugend Reiz, der Sinne
Trug und Blendung,
Des Schicksals Macht, der innern
Stimmen Wahrheit –
Das alles raff’st du auf aus
ew’gen Weiten,
Und zeigst gestaltet,
herrlich, in Vollendung,
Der Menschheit Bild in
ungetrübter Klarheit.